Um der Gerechtigkeit willen verfolgt
- Redaktion
- 29. Mai 2024
Georg Walter
Im Unterschied zu den vorangegangenen Seligpreisungen weist dieser Ausspruch Jesu nicht auf das hin, was ein Jünger Jesu durch Gottes Gnade geworden ist – ein Armer im Geist, ein Trauernder, ein Sanftmütiger und Barmherziger, ein Friedensstifter von reinem Herzen – oder was dieser in der Ewigkeit einmal sein wird – ein Sohn und eine Tochter Gottes, welche Gott schauen und das himmlische Land erben werden –, sondern nun lässt der Herr keinen Zweifel daran, was diejenigen, die ihm folgen, möglicherweise erdulden müssen.
Matthäus 5,10-12
Glückselig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Reich der Himmel! Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und lügnerisch jegliches böse Wort gegen euch reden um meinetwillen! Freut euch und jubelt, denn euer Lohn ist groß im Himmel; denn ebenso haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch gewesen sind.
Denn ihrer ist das Reich der Himmel
Gewiss ist es kein Zufall, dass diese letzte Seligpreisung mit den Worten der Verheißung endet wie die erste Seligpreisung: „… denn ihrer ist das Reich der Himmel!“ Welcher Trost für alle, die als geistlich Arme ihrem Herrn folgen und selbst in Drangsal und Verfolgung die Gewissheit haben, dass ihnen am Ende ihrer Pilgerschaft „der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Retters Jesus Christus reichlich gewährt werden“ wird (2. Petr 1,11).
Petrus stellte den Empfängern seines Briefes allerdings auch vor Augen, wie ihnen der Eingang in das Reich der Himmel dereinst reichlich gewährt werden wird. „Darum, Brüder, seid umso eifriger bestrebt, eure Berufung und Auserwählung fest zu machen; denn wenn ihr diese Dinge tut, werdet ihr niemals zu Fall kommen“ (2. Petr 1,10). Der Apostel richtete sich an Jünger, die bereits Verfolgung erlitten hatten, wie wir aus dem Ersten Petrusbrief wissen: „Geliebte, lasst euch durch die unter euch entstandene Feuerprobe nicht befremden, als widerführe euch etwas Fremdartiges“ (1. Petr 4,12).
Was Jesus bereits in der Bergpredigt angekündigt hatte – Verfolgung in Wort und Tat –, war also den Jüngern, an die sich Petrus in jenen Tagen wandte, nicht unbekannt. Der Apostel, wie Jesus selbst, lenkte indessen den Blick der Jünger weg von den Feuerproben, weg von den Verfolgungen, weg von den Schmähungen hin zu der „Hoffnung seiner Berufung und dem Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen“ (Eph 1,18).
Georg Walter
Georg Walter, Jahrgang 1959, verheiratet, 2 Kinder, ist neben seinem Beruf als Krankenpfleger als Autor, Referent zu Zeitfragen und Verkündiger im Reich Gottes tätig. Zudem ist er Herausgeber der Zeitschrift „Der kluge Baumeister„.
Vom Geist gewirkter Eifer
Während es allein Gottes Werk im Menschen ist, zu berufen und zu erwählen, ist es die Pflicht des klugen Baumeisters, seine Berufung und Erwählung fest zu machen. So trifft also Eifer auf Berufung, strebsame Dienstwilligkeit auf Erwählung, und es scheint, als ob Berufung und Erwählung einerseits und der Eifer des Gläubigen andererseits wie die zwei Seiten einer Münze untrennbar zusammengehören.
Es war die Tragik des alttestamentlichen Gottesvolkes, „dass sie Eifer für Gott hatten, aber nicht nach der rechten Erkenntnis“ (Rö 10,2). Doch wie viel religiösen Eifer gibt es nicht auch unter dem neutestamentlichen Gottesvolk! Es gilt, die Auserwählung und Berufung fest zu machen – und dies mit allem Eifer, den die Gnade einem jeden schenkt, der da glaubt.
Wie kann der Eiferer wissen, ob sein Eifer aus dem Geist oder aus dem Fleisch gewirkt ist? Die Bergpredigt gibt eine Antwort auf diese Frage. Wahrer Eifer ist stets Eifer der Armen im Geiste, der Trauernden, der Sanftmütigen, der Barmherzigen. Es ist niemals der blinde Eifer des religiösen Fleisches in seinem Unverstand. „Denn den Narren bringt der Unmut um, und den Unverständigen tötet der Eifer“ (Hi 5,2). Es ist der Eifer derer, „die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten“ (Mt 5,6). Dort ist kein Platz für Selbstgerechtigkeit, für den Eifer des ichhaften Menschen. Ein solcher Hungernder und Dürstender lebt ganz aus der Gerechtigkeit Gottes, die ihm die Gnade gebracht hat.
Der kluge Baumeister
Um der Gerechtigkeit willen verfolgt
Jesus war ein vorzüglicher Lehrer, der seine Worte mit Bedacht wählte. In dieser letzten Seligpreisung zeigt er den Grund aller Verfolgung der wahren Heiligen in der Welt – um der Gerechtigkeit willen. Es ist nicht Verfolgung um des Zeugnisses willen, nicht Drangsal um der Heiligkeit willen, nicht Trübsal um der Wahrheit willen. All diese Zeichen sind eine Frucht der Gerechtigkeit, die im Leben eines Jüngers sichtbar werden sollten. Und doch bleiben Zeugnis, Heiligkeit und Wahrheit nur Früchte, die einer Wurzel entspringen, der Wurzel der Gerechtigkeit des Glaubens (vgl. Rö 4,13).
Wieder und wieder versuchten die Juden, das Reich Gottes aus der Kraft ihrer menschlichen Stärke mit politischen oder militärischen Mitteln zu errichten. Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus, ein Augenzeuge des jüdischen Aufstands gegen die Römer, schreibt, dass die Schlacht von Tarichae sich bis zum See Genezareth erstreckte. „Mit Blut gefärbt und voll von Leichen war der ganze See, da nicht ein einziger Mann sein Leben gerettet hatte. Während der nächstfolgenden Tage aber erfüllte die ganze Gegend ein schrecklicher Gestank, und grässlich war der Anblick, den sie darbot; denn die Ufer waren mit Schiffstrümmern bedeckt und mit aufgeschwollenen Leichen, die in der Sonnenhitze verwesten und die Luft verpesteten.“ (1)
Josephus machte die Zeloten, die jüdisch-nationalistischen Eiferer, für das Schicksal Israels verantwortlich, das sie 70 n. Chr. ereilen sollte. Jerusalem und der Tempel wurden zerstört, die jüdische Nation in alle Welt vertrieben. Die Juden waren Verfolgte. Doch sie waren zumeist nicht Verfolgte um der Gerechtigkeit willen. Ihren Messias hatten sie verworfen. Sie hatten Religion mit Politik vermischt und wurden Opfer ihrer politisch-messianischen Erwartungen.
Die Gerechtigkeit Gottes
Es ist „nämlich die Gerechtigkeit Gottes durch den Glauben an Jesus Christus, die zu allen und auf alle [kommt], die glauben“ (Rö 3,22), die den wahren Jünger schon immer zu einem Anwärter für Verfolgung machte. Die Bibel zeigt, dass Gottes Gerechtigkeit von Anfang an Verfolgung nach sich zog. Kain erschlug seinen eigenen Bruder Abel im Zorn, weil Gott das Opfer der Gerechtigkeit seines Bruders angenommen, Kains Opfer der Selbstgerechtigkeit jedoch verworfen hatte. Abel wurde verfolgt, weil er gerecht war.
Die Apostel wurden ebenso verfolgt wie die Propheten Gottes des Alten Bundes, weil sie gerecht waren. Der Höhepunkt aller Verfolgung war die Kreuzigung des Messias. Jesus, der „alle Gerechtigkeit erfüllte“ (Mt 3,15), der wahre Mensch und letzte Adam, der ohne Sünde war, musste leiden und den schmachvollen Tod am Kreuz erleiden, weil er gerecht war. Schon der Prophet Jeremia weissagte: „Siehe, es kommen Tage, spricht der Herr, da werde ich dem David einen gerechten Sproß erwecken“ (Jer 23,5a). Was die meisten Juden nicht erkannten, war, dass der Gerechte Gottes erst ans Kreuz gehen musste, ehe er die Krone empfing. Letzeres hatte Jeremia auch für ferne Tage prophezeit: „… der wird als König regieren und weise handeln und wird Recht und Gerechtigkeit schaffen auf Erden“ (Jer 23,5b).
Sollte es uns, die wir in den Fußstapfen unseres Meisters wandeln, nicht ebenso ergehen wie unserem Herrn? „Und alle, die gottesfürchtig leben wollen in Christus Jesus, werden Verfolgung erleiden“ (2Tim 3,12). Wer gottesfürchtig und gerecht leben will, dem ist laut Heiliger Schrift Verfolgung verheißen. Doch eine größere, herrlichere Verheißung ist gleichfalls damit verbunden. Denn gottesfürchtig leben kann ein jeder Jünger nur in Christus Jesus.
Wer gottesfürchtig und gerecht leben will, wird danach streben zu leben, wie Christus Jesus lebte. „Denn er hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm [zur] Gerechtigkeit Gottes würden“ (2Kor 5,21). Das ist das Wunder der Gnade, die Herrlichkeit der Erlösung – in Christus Jesus sind wir zur Gerechtigkeit Gottes geworden. Und wer als solch ein Gerechter in das ewige Leben eingegangen ist, der kann sich jubelnd daran erfreuen, dass der Vater ihn über alle Maßen reich beschenkt hat. „Er, der sogar seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für uns alle dahingegeben hat, wie sollte er uns mit ihm nicht auch alles schenken?“ (Rö 8,32).
Liebe Leser, Gott, der Vater, hat uns seinen Sohn dahingegeben, damit wir in dem Sohne zur Gerechtigkeit Gottes würden. Diese Gabe des Sohnes, diese Gabe der Gerechtigkeit Gottes gilt es immer tiefer zu erkennen, denn wer sie im Geiste nicht erfasst, wird nach einer anderen Gerechtigkeit trachten. Als warnendes Beispiel dienen die Juden, die ihren Messias ablehnten; sie „erkannten die Gerechtigkeit Gottes nicht und trachteten danach, ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten; sie haben sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterworfen“ (Rö 10,3).